Montag, 21. September 2009

Ragi-Buch 2a - Stefan trifft Ragi




(Die Einführung zu dieser Geschichte über Ragi und Stefan
steht im Buch 1 unter http://RagiundStefanEins.blogspot.com )
(für alle meine Google-Blogs: http://Mein-Abenteuer-mein-Leben75.blogspot.com )
(dieser Blog "Buch 2a" hat die Adresse: http://RagiundStefanZweiAa.blogspot.com )



Kapitel II
Im Stadtpark

Wir kannten uns schon seit ein paar Jahren, die Mädchenschule lag neben unserer Jungenschule, auch besuchten unsere Mütter sich zum Kaffee oder um ins Kino zu gehen, sie sind Freundinnen. Damals war ich auf Ragi nicht weiter aufmerksam gewesen. Doch nun trafen wir uns einmal in unserer kleinen Stadt, an einem sonnigen Frühsommersonntag, viele Menschen auf den Straßen, alle feierlich gestimmt, fröhlich, liebevoll, voller Lust. Ragi und ich waren gleich alt, besser gesagt, wir waren noch sehr jung, nämlich so um siebzehn. Und wir strebten genußvoll ins Leben, gespannt auf die neuen Wagnisse — und Schmerzen und Freuden. Ich erinnere mich: das war der Nachmittag, an dem ich mich in dieses eigenartig fremde Mädchen verliebte.

Es war wirklich sehr warm, Frühsommer, so die richtige Jahreszeit, um verliebt zu sein. Ragi war kraftvoll und lebendig, trug ein wadenlanges und weites hellblaues Kleid bis über die Knie hinunter, weiße Strümpfe hoch über die Knie hinauf, hatte krause sehr dunkle Haare. Ihr Gesicht war dunkel wie sonnengebräunt — das war alles, an das ich mich jetzt gerade erinnere. Ihr Kleid war mädchenhaft — sie liebt das so. Seit diesem Frühsommertag liebe auch ich dieses Kleid an ihr. Das Kleid schwingt umher bei jeder Bewegung. Später wird mir noch mehr einfallen. Es war einfach so schön an diesen Tagen zusammen.

Ich kam gerade vom Hockey-Spielen auf dem Schulsportplatz und trug ein grünes Turnhemd und eine kurze, etwas vererdete Turnhose — weiß mit einem grünen Streifen an der Seite — und Turnschuhe. Am Bein klebte noch Erde von einem daneben gegangenen Schlag mit einer Hockey-Kelle. Ragi hatte mich am Sportplatz abgeholt und sagte, diesen Nachmittag will ich aber ganz mit dir zusammen sein, und sah mit ihren klaren fast schwarzen Augen fest in mein Gesicht. Huh, dieser Blick war etwas!

In den Schaufenstern hatten sie allerlei bunte Dinge ausgestellt, und wir genossen diese Auslagen, ... redeten, wie wir uns mit dem Flitterzeug schmücken könnten, bunte Tücher um den Leib, um den Kopf geschlungen. Es war das erste Mal, daß wir so zusammen umhergingen, wir suchten nach einem Garten-Lokal, wo wir einen Kakao trinken wollten.

Ragi zog mich auf die andere Straßenseite an ein Schaufenster, in dem ein Spiegel stand. Ich lehnte die Hockey-Kelle an die Wand, und wir besahen uns in dem Spiegel, und plötzlich hob sie vorne ihr hellblaues Kleid ein wenig und ließ mich in dem Spiegel ihre Knie sehen, weiß bestrumpft. Die vielen Leute bemerkten wohl nichts — was auch? Ragi sah mich seitlich an, fragend — was nun, boy? Ich war schnell in sie verliebt und der Anblick berührte mich schon kräftig. Und sie war in mich verliebt und zeigte sich mir.

Bild 01: Ragi´s Kinder-Strumpfhalter

Sie hob ihr Kleid vor dem Spiegel noch etwas mehr und zeigte den oberen Rand der Strümpfe und ein kurzes Stück von zwei roten Strumpfhaltern, an die die Strümpfe mit einem weißen Wäscheknopf angeknöpft waren — und ein wenig die nackten Schenkel. Was ist das nun besonderes? Aber mich erregte dieser Anblick sehr — und was sie damit ausdrücken wollte. In meiner kurzen Turnhose wurde es eng, ich wußte nicht mehr, was ich tun konnte.

Und noch ganz wenig hob sie das Kleid vor dem Spiegel — und all die Leute umher sahen nichts — und sie sagte, ... und noch höher bin ich ganz nackt. Das traf mich wie ein Blitz. Ich kann doch wohl nackt gehen in einem so langen Kleid — oder? — Schweigen — Also laß uns wieder rüber gehen und in den Park, da ist das Lokal, da können wir den Kakao trinken, mit Schlagsahne — oder?

Ich wußte kaum noch wie ich gehen sollte, in der kurzen Turnhose wurde mein Penis ganz stark, und ich dachte, alle können es sehen, und ich schämte mich sehr. Ich schämte mich meiner Gefühle — bald lernte ich aber: das sind gar nicht Gefühle, um die ich mich schämen müsste, sondern es ist reine Natur. Nur dieses Schämen ist künstlich.

An das Lokal und wie es da war erinnere ich mich kaum noch. Es lag im großen Stadtpark, es waren viele Leute da, und wir setzen uns an einen vollen Tisch auf eine Bank ohne Lehne, einfach ein altes Brett. Ragi und ich saßen nebeneinander, und ihre weißen Knie waren nun nicht mehr unter dem Kleid, ich durfte eine Hand drauf legen, ja, das darfst du, wenn du es magst.

Wir ließen uns eine dicke Tasse mit Kakao auf den Tisch stellen, aber alles war so erregend — Ragi legte meine Hand auf das Kleid auf den Schenkel: ertaste doch mal meinen Schenkel durch das Kleid hindurch, und noch höher, mit deinen Fingerspitzen ... bis an das Ende des Strumpfes, an den Wäscheknopf, an den Halter aus Gummilitze ... alles spürte meine Hand durch den dünnen Stoff. Das war immer noch in der Mitte des Oberschenkels — und nun bekam ich Lust, weiter nach oben zu streifen, doch sie ließ mich nicht mehr.

Ich sagte, das ist ja noch wie in der Kinderzeit, mit diesem Knopf, aber es erregte mich dennoch. — Ja, ich bin doch auch noch ein Kind. Und sie sah mich so kindhaft fröhlich an ..., wir sind doch noch Kinder und dürfen deshalb alles, oder? Sie berührte meine nackten Knie und Schenkel bis an den Rand der Turnhose und noch ein wenig hinein. Dieses „oder?“ klang so süß, sie sagte es oft und ich mochte es sehr gerne, es war wie ein Markenzeichen.

Sie berührte mich leicht in der Turnhose — ein Schauer! Laß uns in den Park gehen, da sitzen die anderen aus unseren Schulen.

Auf dem Rasen hocken die süßen Mädchen und die vom Sport gekommenen Jungen, schwitzend, und manche stellen ihren sportlichen Körper so richtig aus. Ragi setzt sich neben mich, und ich habe Angst, daß die Anderen unter ihr Kleid sehen können, ich wurde heftig eifersüchtig, denn für mich ist dieser Blick verborgen, sie sitzt ja neben mir. Vorsichtig schiebe ich den Rand ihres Kleides um ihre Beine, doch sie will das nicht — ich kann das doch wohl selbst, oder? will es aber jetzt nicht.

Ich frage mich, was will sie eigentlich, will sie eigentlich auch in meine Turnhose sehen? Am liebsten hätte ich mich ihr gegenüber gesetzt und wir hätten uns gegenseitig am ganzen Körper angeschaut — aber hier im Park, so viele Leute? Und mag Ragi das überhaupt?

Wir legen unsere Arme umeinander, aufgeregt sagt sie bald, ich muß hier wieder weg. Ein paar Schritte weiter stand ein schräg umgefallener alter Buchen-Baum und sie setzt sich auf den liegenden Stamm — und steht schnell wieder auf. Ich möchte dich gerne ganz nahe an mir haben — aber das geht hier wohl nicht — so nicht — kommt mal her! ruft sie ein paar der anderen jungen Leute heran und stellt sie in einem dichten Kreis eng um uns auf — alle dürfen zusehen, nur von außen geht das nicht.

Nun umschlingt sie mich und ich sie auch — zögernd wie ich bin. Wir sitzen wieder auf dem Baumstamm und streicheln einander die Körper, die Schenkel, immer höher, und ich soll dazu ihr weites Kleid anheben, alle hier können es sehen. Ich soll es bis oben hin heben. Ich darf sie so nackt sehen, sie mag es — auch daß die anderen zugucken. Am Unterbauch ist das kleine Büschel schwarzer krauser Haare, ich traue mich nicht richtig hinzusehen. Doch sie genießt es, daß wir ihren Leib ansehen. Die Strumpfhalter sind sehr lang, sagt sie zu mir, ja so ist das, diese Bänder sind am Mieder, am Leibchen ... sie sind da angeknöpft — wir sind doch noch Kinder — oder?

Ragi zeigt uns ihr kurzes gehäkeltes Miederchen, ich darf ihren ganzen braunen Leib berühren, der nun fast unbekleidet ist — nur die zwei roten Strumpfbänder strecken sich als grelle Streifen darüber, — darf ihren Leib streicheln — es schauert mich wonnig von unten bis oben —, und sie streicht sanft und heftig über meinen Unterleib und zieht meine Turnhose ein Stück an den Beinen runter. Wie kann sie das alles so tun? Ich fühle mich als voller Neuling, aber dieses Mädchen, diese Frau? Darf ich das einfach so geschehen lassen? Ich sage aber ja, ich muß ja sagen.

Mein Penis wird wieder ganz steif und er will mehr — aber jetzt will ihr Körper nicht, sie führt meine Hände wieder am Leib entlang, bis nach oben an die kleinen Brüste unter dem Mieder. Ich fühle die Knöpfe, an denen die Strumpfbänder sitzen, und den Häkelstoff des Mieders und den ganzen Leib, glatt, nackt, weich, bebend, sich drehend vor Lust, duftend, so fein duftend. Die anderen stehen dicht drum herum und schweigen.

Ich will aber, sagt sie leise und bebend, ich will dich spüren, ganz; die anderen stehen da und wissen nicht, was sie tun sollen. Kommt doch ganz dicht! Sie sind ganz still und ehrfürchtig bei dieser Energie. Ragi drückt meinen Körper an sich, ganz fest, lehnt sich zurück auf den Stamm. In aller Öffentlichkeit sind wir so frei — unsere nackten Körper bewegen sich hin und her aneinander, reiben sich ... Irgend etwas läßt mich ganz laut atmen, diese Frau ist so lebendig — wie ich es nie geahnt habe. Ich wußte nicht, daß das alles in der Liebe steckt.

Sie packt meinen Leib immer wieder, schiebt ihn hin und her, nimmt meine Beckenknochen und schiebt sie hin und her über ihrem Leib, wir sind einander so nah!

Sie liegt nun ganz auf dem schiefen Baumstamm und ich fast auf ihr — sie fäßt mit der Hand mein steifes Glied und streichelt sich damit an ihrer Öffnung; es ist glitschig, weich, unendliche Wohligkeit und Tiefe vor mir, ich will mich bewegen, stoßen, doch ich traue mich nicht. So ist es schöner. Ragi bremst immer wieder, flüstert sei langsam und weich! Mein ganzer Körper zittert, und Stöhnen oder so was kommt aus unseren Mündern.

Es ist nun genug — wir werden langsam wieder ruhiger. Die anderen bleiben ganz still, kommen näher und streicheln uns, ordnen unsere Kleider wieder, klopfen die Moosreste ab, streichen über unser Haar.


Jemand hat eine Geige dabei und spielt eine ganz zarte und wehmütige Melodie. Wir sitzen alle im Kreis und ein paar Tränen fließen und wir freuen uns an unserer Jugend und an unserer Lust.

Noch lange sitzen wir auf dem Park-Rasen. Einmal darf ich über ihren Rücken streichen. Hinter ihr sitze ich und streiche mit den Händen, doch sie sagt, nimm die Finger, nimm EINEN Finger und streiche ganz leicht und langsam an der Wirbelsäule entlang ... erst von oben nach unten, und dann noch gefühlvoller wieder nach oben ... geh ganz nach unten bis an die Erde, und dann wieder nach oben bis auf den Kopf.

Durch das Kleid fühle ich die Wirbel, das kurze Leibchen und seine drei Knöpfe übereinander, seine Trägerbänder, die Schulterblätter. Meine Finger berühren ihre krausen Haare im Nacken, meine Augen wundern sich über die Dunkelheit der Haut, meine Ohren genießen Ragi´s leichtes Stöhnen vor Lust.

Kraule mich im Nacken, da ist es am schönsten, mehr, mehr. Ich streiche und zupfe an ihrem lockigen Haarschwänzchen im Nacken, streiche seitwärts am Hals und schließlich an ihren Wangen, fühle die feinen schwarzen Haare der Schläfen und zupfe an ihnen. Ragi dreht sich um und sagt leise, ich glaube, in dir habe ich den richtigen Liebhaber gefunden. Weißt du, ich suche schon so lange, ich habe so viel zu geben, und du kannst es, glaube ich, nehmen und mir wie ein Spiegel zurückstrahlen, wirst mir alles zeigen, was von mir kommt, du bist der erste, der so ist. Ich möchte mehr mit dir erleben, möchte meinen Körper und meine Seele erleben und kennen lernen — mit dir. Und möchte dich, deinen Körper und deine Seele erfahren, mit dir. Wollen wir auf eine lange Forschungsfahrt gehen, wir beide, zusammen?

Ich weiß nicht, was los ist. Gibt es so was? Sehr dankbar bin ich. Darf ich das erleben? Während dieser halben Stunde hat mein Leben einen anderen Kurs genommen. Dieses Mädchen ist wirklich so anders als die anderen. Was bringt sie mit? Wo hat sie das her? Was darf ich da lernen? Ja, sage ich, mit Tränen, ja. Ragi sieht mich erlöst an und umarmt mich, wir wollen nun vieles zusammen tun, oder? Ich musste dich testen, musste so weit gehen wie möglich, damit ich weiß ... Ich musste dich verführen, damit ich weiß, ob du mitgehen wirst, ob du genügend Mut hast. Mein weiblicher Leib und meine weibliche Seele sind so voll ... ich brauche den Mann, auch die Mann-Seele, eine volle Seele, die überfließt wie meine.

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In jenen Monaten sehen wir uns ein paar mal, trinken Kakao oder gehen auch mal ins Kino. Das alles ist schon so viel, doch wenig, wenn ich die Monate danach ansehe. Da fragt Ragi nämlich mal, bei uns ist niemand zuhause, magst du mitkommen und ein paar Fotos von mir machen? — Ich habe noch nie fotografiert, wir haben keine Kamera, weiß kaum was das ist, fotografieren. Ich sage das, doch Ragi: Das geht ganz einfach, ich zeige es dir. Sie hat wieder ein weit schwingendes über die Knie reichendes Kleid an, es ist heute ein schwarzes, und schwarze Strümpfe, dieses Mal. Ich finde sie so schön, ich finde ihren Mut und ihre Stärke so schön und liebe sie, diese Ragi, ich liebe Ragi´s Mut und Freiheit ...

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Kapitel III a - Das Blaue Haus

Sie wohnt mit ihrer Mutter und zwei jüngeren Brüdern in einem Haus mit Garten etwas außerhalb der Stadt — in der Nähe eines größeren Waldes. Von der Straße aus ein düsterer Garten, darin versteckt ein kleines spitzdachiges wunderliches Haus, strahlend blau gestrichen und mit dunkelbraun gerahmten Fenstern und dunkelblauen Läden, und mit roten Dachrinnen.

Bild 02: Das Blaue Haus von vorne,
die verdeckenden Büsche habe ich weggelassen

Der Garten von Büschen und Bäumen umgeben und voller Geheimnisse, doch von hinten schimmert Helles neben dem Haus durch. Ein leicht geschwungener roter Ziegelweg leitet von der Straße zur Tür. Über der Tür ist ein Holzbalken angebracht, dessen dunkles Blau strahlt wie ein blaues Licht. Auf dem Balken steht ein weißes Zeichen, das ich nicht kenne, so:

Bild 03: über der Haustür

Anfangs ist es weiß, doch wie ich es länger ansehe, ändert das Zeichen dauernd seine Farbe, es leuchtet mal eher rosa, mal lila, mal gelb ... Unheimlich, oder wenigstens ungewohnt ist es hier. Auf dem Bild 03 seht ihr mehr, doch die Bäume und Büsche des vorderen Gartens habe ich weggelassen, um das Haus recht sichtbar zu machen. Wunderlich ist fast alles, was ich hier sehe: die Schornsteine, die schwarzen Drachen auf den Dachecken, das Fenster über der Tür ...

Ragi lässt mich das alles erst betrachten — da, über der Tür, das ist mein Zimmer. Dann zieht sie mich zur Haustür. Sie drückt mit der flachen Hand an eine Stelle an der Wand und öffnet damit die Tür. Von innen kommt ein leichter Glöckchenton. Ragi öffnet noch einen dicken braunen Vorhang, und ich sehe eine lange Diele, hinten Fenster in den hinteren Garten. Da ist es hell und gemütlich. Hier im Haus ist es noch wunderlicher als draußen: sehr fremde Bilder an den Wänden. Die Wände sind warm-grün gestrichen, die Decken lichter aber im selben Ton. Andere Zimmer sind heller, andere dunkler.

Auch stehen Wände und Decken nicht in rechten Winkeln zueinander, sondern schief und krumm, die Ecken sind rundlich. Wände und Decken sind etwas gebogen und haben Beulen und Vertiefungen, ja kleine Nischen, in denen etwas steht — ein sehr eigenartiges, befremdendes Haus!

Rechts sehe ich eine doppelte Glastür und dahinter ein Zimmer, wohl das Wohnzimmer.

Auf einer schwarzen geschnitzten Truhe steht eine große Zeichnung hinter Glas, die die Figuren eines Mannes und einer Frau in fremder Tracht darstellt, die auf einem Podest sitzen, zwischen ihnen steht ein nacktes Kind (Endnote 7). — Du, ein wenig sind wir hier in Indien, wir sind etwas wie Inder, ich bin ein viertel Inderin, deswegen ... deswegen sehe ich so schön aus, findest du nicht?

Ragi sieht mein Fragen und zeigt auf den Mann und brabbelt los: das ist Gott Shiva, und die Frau ist seine Frau, die Göttin Parvati oder Shakti. Das Kind ist Skanda, einer ihrer Söhne. Die indischen Götter, weißt du. Abends wirst du Genaueres erfahren.

Bild 04: Shiva und Skanda und Shakti (Parvati)

Unter das Bild hat jemand geschrieben, „Madras Governmental Museum“ und „Das Größte in Südindien“.

Mein Vater hat diese Zeichnung nach einer Figurengruppe gemacht, die in Madras (Endnote 8) in Indien im Museum ausgestellt ist, ja. Und „Shiva“ ist der große Gott der Tantra-Leute in Indien. Besonders die Tamilen-Leute lieben Shiva und Shakti, ihre Hauptstadt ist Madras. In der Nähe von Madras soll es in einer Stadt (Endnote 9) einen großen Tempel für Shiva geben, und darüber auf dem Berg entzünden sie jedes Jahr in einer besonderen Nacht ein riesiges Feuer zu seinen Ehren. Man sieht es in großer Entfernung, und wer es sieht, wirft sich zu Boden und betet zu Shakti und Shiva, in tiefer Ehrfurcht und Dankbarkeit. Irgendwo haben wir ein Bild von dem Berg Arunaachala, hier hängt es.



Bild 05
: Der Berg Arunaachala
bei der Stadt Thiruvannamalai in Süd-Indien

Das ist alles so anders, ich fühle, daß ich hier in einem ganz fremden Land bin. Es kommt mir fast vor, als würde hier eine fremde Sprache gespochen.

An der Wand hängt eine Karte von „Bharat“, wie Indien in der Hindostani-Sprache (Endnote 10) heißt, Bharat steht verschnörkelt drauf, und es ist eine grell bunte Karte. Ragi zeigt mir auf der Karte, wo dieser Berg liegt und geht ins Wohnzimmer und zeigt auf eine mit einem bunten Tuch gedeckte Bank, über der wieder so ein fremdes Foto hängt, — das zeigt auch Shiva, aber nun tanzend. Ich will auch tanzen, sagt Ragi eifrig.

Wir sind allein. — Wie, tanzen? Ich mag gar nicht tanzen, — was, du magst nicht tanzen? Das ist doch das Schönste, Stefan: Tanzen! Ich lege mal eine Platte auf mit Blues. — Doch solche amerikanischen Sachen liegen mir überhaupt nicht. Sie sind mir ebenso unverständlich wie diese Bilder, ja etwas unangenehm. Die Bilder aber sind mir nicht unangenehm, nur fremd.

Sie fängt einfach an, das ist doch klasse, sagt sie, B.B.King und seine Leute. — Einfach allein tanzt sie so dahin, Arme und Füße und Kleid schwingen umher, ein rosa Seidentuch um die Haare gewunden schwingt auch. Da nützt mir die ganze Tanzschule nicht. Verlegen stehe ich herum und sehe zu wie sie tanzt, sie lässt ihr Kleid fliegen, dreht sich im Kreis, einen Petticoat müsste ich haben, da würdest du dich wundern! Das wäre doch das Neueste!

Wieso tanzt du so allein, frage ich, — Warum tanze ich so? Meistens tanze ich so, und du willst ja nicht. Eigentlich tanze ich lieber allein, da ist mehr los, kann ich tun, was ich will, bin nicht so an diese Tanzstundenschritte gebunden. Ich bin doch frei — oder? Und so kann ich dir was vortanzen.

Ja, ja diese neumodischen Petticoats, ich wundere mich immer wieder, wie die Mädchen sowas tragen mögen — und noch so viel Geld ausgeben ... Irgendwie finde ich die nicht besonders interessant, sage ich. — ach, du müßtest mal Mädchen sein und erleben, wie sich das anfühlt: dieses Rascheln bei jedem Schritt, die Beine in den schönsten und wertvollsten Seidenstrümpfen, edle Schuhe zum Abschluß, der Petticoat — oder all die vier oder fünf Petticoats übereinander fliegen im Wind und doch ist alles verborgen ... verborgen in diesen Tausenden von Rüschel-Falten. Sieh mal dieses Bild an, das aus der amerikanischen Life stammt. Das finde ich schön — na ja, immer möchte ich auch nicht so gehen, aber mal beim Tanzen?

Bild 06: 1954
Aus Life? Petticoats auf dem Titelblatt von Life? Komisch!

Nein, ich kann mir das nicht vorstellen, Petticoats anzuziehen, das wäre mir zu fremd am eigenen Körper. Ragi schwärmt weiter:

Und dann all´ die Spitzen unten dran, und die gucken unter´m Rock raus, oh, oh — doch eigentlich ist das nicht mein Stil, nur mal so´n Spielchen für einen Abend. Ich möchte alle diese Dinge mal erleben, aber nicht für normal diesen Tüddelkram tragen — wie manche Mädchen . Du, alles möchte ich mal erleben, möchte meinen Blick überall hinwerfen und genießen, was zu genießen ist. Möchte manche Blicke über meinen Tellerrand hinaus werfen, wie man so sagt, weit hinaus.

Ich frage nach der Camera, doch Ragi fängt was anderes an: erstmal möchte ich dir etwas mehr über mich erzählen, wer ich bin und so. Also, mein Vater lebt nicht mehr, und dann hat meine Mutter wieder geheiratet — und die haben sich wieder getrennt — doch vorher hat sie diese zwei Buben zur Welt gebracht, Zwillinge, Wilhelm und Karl heißen sie, die sind jetzt zehn. Aber darum geht es jetzt nicht. Guck mal, von Karl hängt da ein süßes Bild, neben dem Fenster, er sieht hinaus auf die bunten Blumen, die er so mag, hat ein Freund von Mutti gezeichnet.

Bild 07:
Karl blickt auf den Blumengarten -
Kinderstrümpfe, Kinderstrumpfhalter - das war einmal

Also, 1936 ging mein Vater nach Indien, das heißt, da war er noch nicht mein Vater, da gab es mich ja noch nicht. Er blieb über ein Jahr, kam zurück, blieb hier fast ein Jahr lang und zeugte mich und zog wieder ab. Und ich bin dann — ein Jahr vor dem Krieg — Dezember 1938 geboren. Dann kam der Krieg und er wurde in Indien interniert, so als Deutscher in Feindesland, weißt du, war im Gefangenen-Lager.

Ich frage: Wozu war er in Indien? Hat er da gearbeitet? Wieso geht man überhaupt soweit weg in so ein fremdes Land?

Ja, er war Wissenschaftler und hat die indische Kultur studiert, hat geforscht, er war ein Student von Professor Helmuth von Glasenapp. Er war 10 Jahre jünger als der Professor, 1901 geboren. Irgendwie hat er ganz gut Geld verdient, davon konnten wir dann später dieses alte Haus kaufen und zurechtbauen. Doch im Internierungslager ist er dann während des Krieges gestorben, an Tuberkulose, glaube ich. (Endnote 11 )

Ein bißchen traurig sieht sie nun aus und sagt nichts.

Ich vermisse ihn, obwohl ich ihn nicht kenne.

Er hat mir viel hinterlassen. Wir haben uns ja nie gesehen. Ich habe allerdings ein paar Fotos von ihm, einige Tagebücher und Aufzeichnungen, viele Briefe und Aufsätze. Ein schöner jugendlicher Mann war das, kann ich dir sagen, obwohl er schon ganz schön alt war für einen frischgebackenen Vater, ha, ha.

Da liegen ein paar Mappen in einem Regal, Ragi zeigt darauf:

Viele wissenschaftliche Fotos und ein paar Aquarelle bekamen wir ... auch indische Bilder auf Seide und so, wie das in Mutti´s Zimmer, ich zeig´s dir mal ... alles ist voll von farbiger Schönheit und Wissen ... tiefes Wissen über das alte Indien, besonders über den Kult mit Shiva-Shakti und über das Tantra.

So etwas hatte ich alles noch nie gehört. Und dieses Mädchen läuft hier in unserer Stadt herum! Mir scheint, ich habe einen riesigen Schatz gefunden: alles was sie mitbringt, was sie in den Armen hält und verteilt. Nun frage ich, was war er für ein Mann, dein Vater, du schätzt ihn sehr, merke ich.

Er hatte in Indien Tantra untersucht, hatte geforscht. Sein Professor hat eine sehr magere Meinung von Tantra (Endnote 12), und mein Vati konnte das nicht annehmen, so ist er selbst hingefahren, mit einem Forschungsauftrag, gut bezahlt aus Amerika. Er sagt, Tantra ist der große Reichtum Indiens. Doch selbst in Indien will ihm das fast niemand glauben.

Auf meine Frage, was heißt Tantra? steht Ragi auf und wiegt sich und schwingt die Arme und ihr Kleid. Sie holt von einem Wandhaken ein rotes Seidentuch mit viel Gold eingewebt und schmückt sich den Oberkörper. Bei den Büchern liegen zwei silberne Kettchen mit winzigen Schellen dran, die schraubt sie zu einer zusammen und hängt sie um einen Fuß. Den Fuß schlenkernd bringt Ragi die Glöckchen zum Klingen und tanzt in einer würdigen Art. —

Tantra? das ist so eine Art Lehre der Freiheit. Tantra ist eine praktische Philosophie. Tantra will dich frei machen, alle die kommen. Doch heute kommen wenige. Traurig steht Ragi nun da und schüttelt den Kopf, —

den Leuten steckt noch die Schwere der Kriege in den Seelen, da ist so was wie Tantra unpassend, macht Angst, noch mehr Angst. Echte, volle innere Freiheit und die ganz feinen inneren Erlebnisse gehören nicht zu den Bedürfnissen der Heutigen. Heute brauchen die Leute etwas zum Festhalten, etwas Sicheres, das soll auch etwas Schweres sein, wie ein schwerer Felsstein, der sich nicht bewegt.

Ich denke an einen riesigen Fels-Findling, den ich mal an einem Waldrand weiter im Süden gesehen habe, und an den ich mich gelehnt habe und ihn länger angefasst habe um seine Sicherheit und Schwere zu spüren, seine Unterstützung.

Tantra aber will uns in Bewegung bringen, will uns auf uns selbst werfen, will den echten Menschen emporkommen lassen, so echt wie er geboren ist, sein wahres echtes Wesen. Jeder den eigenen Weg. Wer im Tantra lebt, lebt ein Leben voller Risiko — aber auch lachend, und weinend, alles.

Da tauchen in mir solcherart Gedanken auf: wie der Fels-Findling zerspringt und seine Trümmer, ganz bunte Trümmer, vom Wasser weggeschwemmt werden, hin- und herfließen. Vielleicht war da ein heftiger Blitz, der ihn zertrümmert? Ob das wohl so ein Bild von Tantra sein kann? Sogar dieser dicke Fels kann mich nicht stützten, nur ich selbst.

Echte, volle innere Freiheit und die ganz feinen inneren Erlebnisse — was das wohl ist? Und das Leben voller Risiko? Nur wenig verstehe ich Ragi´s Worte, doch es ist so spannend, daß ich weiter zuhören muß. Was heißt das, voller Risiko? staune ich.

Es ist eben nicht leicht, eben nicht einfach, ha, ha. Alles ist da anders als du es gewohnt bist, anders als du es von Kindheit an gelernt hast. Es ist nicht so einfach wie in einen Laden gehen und ein Brot kaufen.

Sie wackelt mit dem Fuß, oder hast du etwa schon mal gesehen, daß jemand solche Glöckchen am Fuß hat und alleine tanzt? und sie lässt die Glöckchen laut klingeln. Es könnte doch sein, daß die Leute dich verspotten, dich auslachen — und das ist das Risiko — und das magst du vielleicht nicht.

Doch, ich glaube, ich mag so was, Risiko erleben, sage ich, deswegen habe ich damals im Stadtpark auch mitgemacht obwohl es ja schon recht fremd war!

Ragi erklärt eifrig weiter: durch die Briefe und Aufsätze von Vater habe ich etwas über Tantra gelernt. Es war meine Mutter, die nach dem Krieg anfing, die Tantra-Sachen aus seinen Schriften heraus zu suchen. Sie wollte es erst ordnen und einem indologischen Forschungsinstitut schenken, doch die wollten mit Tantra nichts zu tun haben, sagten, das sind doch Geschmacklosigkeiten, die gehören nicht zur indischen Hochkultur. Sie schrieben, „ihr Mann ist einen wissenschaftlichen Irrweg gegangen“. So blieb das alles bei uns, ich bin froh darüber. Ich staune: wie seid ihr an seine Schriften gekommen? alles war doch gewiß in Indien, so weit weg?

Na ja, als er hier war um mich zu zeugen, hat er vieles zurückgelassen, vielleicht ahnte er schon, daß er uns etwas hier lassen sollte, daß er nie wieder kommen würde. Und dann hat er noch ein paar Briefe und Päckchen geschickt bis zu seinem Tod. Und ein paar weitere Sachen — die schönsten hat uns nach dem Kriege noch ein indischer Gelehrter gebracht: eines abends im Winter klingelte es, ich machte auf und niemand stand vor der Tür. — sie lacht — Nur eine fremde Stimme war da: „ich bringe ein paar Sachen von Ihrem Vater“. Ich war damals zehn und diese Stimme erschreckte mich sehr. Es war dieser Inder, sein schwarzes Gesicht und sein schwarzer Anzug machten ihn in der Nacht unsichtbar. Es war Professor S. Chacravarty aus Calcutta (Endnote 13 ). Er blieb ein paar Tage bei uns und hat uns Koffer voll Dingen gebracht, und meine Mutter und er hatten lange Gespräche über meinen Vater, wie er war, was er tat und wie er starb.

Wir haben ein paar Fotos von Shivadas Chacravarty, eines steht da im Regal. Neben dem Foto von meinem Vati.

Ein Mann mit einem dunklen Gesicht steht da, in viele weiße Tücher gekleidet, er sieht würdig und ruhig aus. Neben ihm ein kleiner Junge, ebenso dunkel, der nur ein kurzes weißes Tuch um die Hüften geschlungen hat, er lacht fröhlich. Im Hintergrund ein winziges helles Haus und ein paar Palmen und Büsche, Rauch kommt zwischen den Dachziegeln durch, auch eine weiße Kuh mit einem Höcker auf dem Rücken steht da rum. — Ist da alles weiß? frage ich. — Ja, das ist in Bengalen, da ist wohl vieles weiß — außer der Haut der Menschen. Weiter erzählt Ragi:

Wie meine Mutter mir später klar machte, hatte Shivadas ihr viele Feinheiten zu dem erläutert, was sie von meinem Vater schon in Geschriebenen erfahren hatte: die Feinheiten der Stille, also Meditation, die Feinheiten der Gott-Ergebenheit und Gottliebe, die Feinheiten der Beziehungen zwischen einem Schüler und seinem Guru, die Feinheiten zwischen zwei sich liebenden Menschen, auch wie die Tantra-Leute im Mittelalter ihre Tempel bauten um die Gottheiten anzubeten, und so was alles. Mein Vater hat gerade solche Tempel studiert, ich werde dir mal einen Bericht von ihm geben. Vieles, was du nun bei mir hörst, hat mir meine Mutter beigebracht, und sie hatte es von ihrem Mann und von Shivadas. Es ist Tantra.

Was ist ein Guru? frage ich, — Ich weiß es nicht genau, aber ich hörte, daß ein Guru ein geistiger Lehrer von einem ist, ein Mensch, Mann oder Frau, bei dem du lernst, dich ganz tief innen anzusehen — also eigentlich nicht so was wie ein Lehrer oder Priester! Mehr! Tiefer! Also: Shivadas reist viel und besucht uns fast jedes Jahr — und seine gelehrige Schülerin, meine Mutter, macht immer neue Fortschritte in der Tantra-Religiosität und Tantra-Wissenschaft, die er vertritt, und ich mache auch Fortschritte, immer, fast ohne Pausen. Er bleibt meistens ein oder zwei Wochen hier, er ist ein goldener Schatz in unserem Haus.

Mir kommen Zweifel, ob das alles überhaupt eine saubere Sache sein kann, ob das mit Religion überhaupt vereinbar sein kann, ich denke da natürlich an unsere christliche Religion und weiß von nichts anderem.

Eh, nein, das ist nicht eine Religion, es ist wohl eher eine Lebensphilosophie oder so. Shivadas lehrt etwas, was man „modernes Tantra“ nennt, was man „Neu-Tantra“ nennen könnte. In vielem ist es anders als das, was Professor Glasenapp damals kannte, ich meine anders als das alte Tantra aus dem Mittelalter, nur von dem wusste der deutsche Professor.

So viel Neues auf ein Mal. Wer weiß schon was über Indien, und diese Ragi hier ... weiß alles. Ist dein Name auch indisch? — Ja, eigentlich heiße ich, für das Standesamt, einfach Liese, doch schon mein Vater nannte mich Raga oder Ragi vor der Geburt, er wußte ja noch nicht, ob ich ein Bub oder Mädchen werden würde. So wurde ich in der Familie eine Ragi, das ist so etwas wie Musik oder Melodie, nicht ganz, doch das verstehe ich nicht richtig.

Und Liese — das klingt ähnlich wie Liebe, soll mein Vati geschrieben haben, darum ....

Und was hat Tantra nun mit uns zu tun? ist meine nächste Frage. Sind wir nun sozusagen Tantra-Übende? Ja vielleicht. Tantrika nennt man einen Tantra-Übenden. Vielleicht sind wir Tantrikas. Mal sehen, ob wir frei dafür werden. Tantra ist auch vollständige Freiheit doch auch das verstehe ich noch nicht so schnell.

Für mein Empfinden ist diese Ragi sehr frei, sie ist eine Tantrika. Wie kommt es, daß du so anders bist als andere, bist du frei?

Ja, ich bin wohl freier, sagt meine Mutti jedenfalls — also eigentlich ist sie die Freie hier bei uns, und von ihr hat es auf mich abgefärbt. Du mußt sie mal treffen. Sie wird dir noch viel mehr sagen und zeigen können. Heute abend wird sie ja kommen.

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Doch nun will ich mit dir etwas Tantra leben, sagt Ragi voller Ernst und Vorfreude. Zu Tantra gehört auch, das Leben zu genießen, und das will ich. Einmal sagte ich zu dir, „diesen Nachmittag will ich aber ganz mit dir zusammen sein“, das meine ich auch heute wieder, ich will mein Leben genießen, mit dir, ganz, ja? Willst du heute mein Schüler im Tantra sein?

Ich sage mit ein wenig Angst: Ja, schon, ja, sehr glaube ich. Schon so, wie du mir das alles erzählt hast, ist es Genuß. Nun noch mehr? Wird noch mehr kommen? Was ist das alles? — Ragi sagt ernst, ja, viel mehr, auch Schwieriges.

Ragi tanzt wieder, und nun tanze ich mit: wir tanzen allein, nicht zusammen. Erst zögernd schwinge ich mich umher, wir hören die Platte „Ev´rybody loves a lover, I´m a lover ...“ — sie mag das Amerikanische, glaube ich — „and I love ev´rybody since I fell in love with YOU“ — Ragi singt in ihrer hellen Stimme mit und versucht das Herbe in der Stimme der Sängerin nachzuahmen und hebt ihren Kleidsaum und schwingt damit umher, das erinnert mich wieder an den Spiegel im Schaufenster. Inzwischen bin ich etwas schneller geworden und tanze mit den Füßen hier- und dahin. Wieder und immer weiter bin ich ganz verliebt und sehne mich nach diesem Weib. Sie merkt es und lacht und schwingt ihr Kleid noch mehr, bis sich über den schwarzen Strümpfen ganz kurz ihre hellen Schenkel zeigen. Ja, ich bin auch in dich verliebt! — wieder dieser ernste Blick.

Knie dich mal hin! Vor meinem Gesicht schwingt das Kleid und sausen die Beine umher, habe noch nie so schöne Beine gesehen, habe überhaupt noch nie bemerkt, daß Beine schön sind. Die Glöckchen am Fuß klingen, Ragi schwingt das Seidentuch umher und streicht mir damit durchs Gesicht.
Bild 08: Tanzende Ragi

Magst du rotes Seidentuch im Gesicht, mit kleinen Goldelefantchen drauf? Magst du helle Frauen-Schenkel unter schwarzem Kleid und in schwarzen Strümpfen sehen? Magst du mit mir umhertanzen? Magst du mit mir zur Musik auch noch singen? sie beugt ihr Gesicht ganz dicht an meines und sieht tief in meine Augen. Dann nickt sie mit dem Kopf und schlenkert mit den Füßen umher, und tanzt weiter. Doch nun ist die Platte zu Ende. — Halt, jetzt sei mal ganz still, wie fühlt es sich bei dir an, vibriert dein Körper auch so wie meiner vom Tanzen? Bleib still stehen und fühle das Vibrieren. Ahhh ist das schön!

Ragi legt eine andere Platte auf, für nachher, sagt sie, damit es nicht so trocken aufhört. — Was hört auf? frage ich. — Ach mal sehen, wo es uns hinführt, wohin wir fließen. Wir sind doch noch Kinder, oder? Ach nein, nun nicht mehr. Ich fühle mich jung, aber nicht Kind. Jung Sein ist doch etwas soooo Lebendiges ... lebendiger als Kind-Sein, oder? Kinder sind langweilig — finde ich — Kind-Sein schon gerade.

„nicht mehr Kinder“, was willst du damit sagen? — Laß man, irgendwas wird schon kommen, Ragi wird rot und verlegen, dreht sich umher und nimmt ihren Kleidsaum in die Hand, reibt ihn zwischen den Fingern. — Es ist schon was eigenartiges, wenn man merkt, nun bin ich kein Kind mehr, und das alles. Meine Mutti sagte gestern so was, und ich sei doch so eine Frau, die alles viel bewußter erlebt, sagte sie. Ich weiß nicht, stimmt das? Den Rest erzähle ich dir später, wenn´s dran ist.

Sie geht an die Wand, wo ein Bild von ihr als kleines Mädchen hängt, sie nimmt es ab und heftet mit ein paar Heftzwecken ein Bild von einer Frau an die Stelle, die lange blonde Haare hat und fröhlich in die Welt sieht. Ob ich wohl auch mal so eine sein werde, so schöne Frau? Sieh mal ihr modernes Kleid ... nur solche Nylons mag ich nicht — igitt, eklig!

Ragi gibt mir eine kleine Camera in die Hand und zeigt, wie es geht. Da steht im Zimmer die bunte Bank mit ein paar weichen Kissen darauf. Diese verliebte Ragi setzt sich auf die Bank, und ich beginne mit der Camera zu arbeiten — arbeiten ist wohl zu viel gesagt: ich sehe mir die Camera einfach an. Ich soll sie fotografieren, wie sie da sitzt — schwarz. Weiß ist nur das Gesicht, sind die Arme und Hände, na ja fast weiß, eher hellbraun. Ein paar strahlende Lampen stellt sie an, — das brauchen wir bei dem vielen Schwarz.

Meine Hände zittern, mein ganzer Körper. Ragi verstellt etwas an der Camera und sagt, so wie du zitterst, da muß man ja die ganz schnellste Zeit einstellen. Nun kommt das erste Bild: da sitzt sie auf der Kante der Bank, brav und ordentlich. Die schwarz bestrumpften Knie stehen neben einander und sehen eben unter dem Kleidsaum hervor, eben brav und ordentlich. Sie hebt ihr Kleid kurz hoch und legt es auf den Knien zurecht. Und wie soll ich da fotografieren? ... wenn du immer dein Kleid hochhebst und alles an mir zittert? — frage ich.

Wie sie dann sogar ein Bein über das andere hebt, sehe ich schon wieder ganz kurz ihre nackten weißen Schenkel, oben über dem Rand der Strümpfe. Sie hat ihren Spaß daran ... Ist das schon Tantra? frage ich. — Ja, so etwas, ganz bißchen. Wieso eigentlich? — Vielleicht weil es Spaß macht, oder?

Es geht nicht, ich kann nicht fotografieren, und sie ruft mich zu sich und streicht beruhigend über meinen ganzen Körper. Es wird noch mehr kommen, sagt Ragi, viel mehr.

Ich habe eine lange weite und schwarze Trainings-Hose an, plump und häßlich, die beult sich ja so aus wie ein alter Sack, kritisiert Ragi. Und ein dunkelgraues Oberhemd. Und weil ich zu Besuch bin, trage ich sogar einen blöd gemusterten Schlips heute, was selten ist, doch auch er ist schwarz, grau und silbergrau, nur ganz wenig flaches Rot. Ganz zugeschnürt fühle ich mich. Die Frau lacht über meine Hals-Schnürung und öffnet mir den Schlips und zieht ihn mir ab: das ist doch nicht etwa dein Mann-Symbol, oder? so´ne Art Penis-Bild? — Wir ziehen unsere Schuhe aus, damit es sich besser tanzt, doch es gibt erstmal kein Tanzen mehr.



Nun weiter im Buch 2b - http://RagiundStefanZweiBee.blogspot.com

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